Lyriktag: ''Von diesen Städten wird bleiben: der durch sie hindurchging, der Wind!
Nancy Hünger, Ulrich Koch, Kathrin Schmidt, Daniela Seel, Ulf Stolterfoht und Raphael Urweider gehören zu den wichtigsten Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartslyrik. Mit Brechts Städtelyrik als verbindendem Element lesen sie abwechselnd aus eigenen Texten und kommen in anregender Brunch-Atmosphäre miteinander und mit dem Publikum ins Gespräch. Ein Genuss für Kopf und Körper.
„Von diesen Städten wird bleiben: der durch sie hindurchging, der Wind!“ Das titelgebende Zitat aus Brechts Ballade „Vom armen B.B.“ wirft einen düster-melancholischen Blick auf das, was Städte und ihre Bewohner*innen sind. Doch welche Faszination übt das Widerspiel von Euphorie und Grauen der Großstadt auf heutige Dichter*innen aus? Gibt es Bezüge zu Brechts Städtelyrik oder macht es hier, wie in so vielen anderen Bereichen auch, gar keinen Sinn mehr, nach Gemeinsamkeiten zu suchen, weil jeder und jede nur noch für sich selbst steht oder für sich selbst stehen kann?
Beim Lyriktag in der Neuen Stadtbücherei soll eine Brücke geschlagen werden. Von der Gegenwart zu Brecht und von dort wieder zurück. Jede einzelne der sechs vorgestellten Positionen trotzt auf ihre Weise der allgegenwärtigen Versuchung, komplexe Realitäten in einfache Lösungen zu überführen.
Ein Rausch des Vieldeutigen durchzieht den Raum und regt dazu an, in neue Richtungen zu denken. Wichtigstes (legales) Stimulans: starke Dichter*innen und das fluide, auf seine Materialität hin abgeklopfte gesprochene Wort.
Das Programm verbindet Brechtrezitation, Autorenlesung und Gespräch. Die Besucher*innen entscheiden, ob sie nur einem oder beiden Podien folgen wollen. Während der Veranstaltung und in den Pausen sorgt das Stadtcafé mit Getränken und Snacks für das leibliche Wohl.
Programm
11.00 Uhr Begrüßung durch Festivalleiter Patrick Wengenroth
11.05 Uhr: Podium 1 – Ulrich Koch (Radenbeck), Daniela Seel (Berlin), Ulf Stolterfoht (Berlin)
12.35 Uhr: Mittagspause mit Catering vom Stadtcafé
13.00 Uhr: Podium 2 – Nancy Hünger (Erfurt), Kathrin Schmidt (Berlin), Raphael Urweider (Bern)
Mit: Nancy Hünger, Ulrich Koch, Kathrin Schmidt, Daniela Seel, Ulf Stolterfoht, Raphael Urweider
Moderation: Michael Schreiner (Augsburger Allgemeine)
Rezitation: Klaus Müller (Staatstheater Augsburg)
Kuratoren: Max Sessner (Rauchzeichen – Lyrik im Brechthaus), Gerald Fiebig
Eine Kooperation mit Staatstheater Augsburg, Rauchzeichen-Lyrik im Brechthaus und der Stadtbücherei Augsburg.
Ort: Stadtbücherei
Tickets: Einzelkarte: 10€ >> 5€ / Tageskarte: 19€ >> 9€
Es gibt Gedichte, die man, hat man sie einmal gelesen, nicht mehr vergisst. Einige davon hat sie geschrieben: Nancy Hünger (*1981) studierte Freie Kunst in Weimar. Heute lebt sie als freie Autorin in Erfurt. Sie erhielt zahlreiche renommierte Literatur-Stipendien und war 2011 sie Jenaer Stadtschreiberin. 2014 erhielt Nancy Hünger den Caroline-Schlegel-Förderpreis der Stadt Jena für einen Essay zur Erzählung „Alte Abdeckerei“ von Wolfgang Hilbig,
Mit Ulrich Kochs Gedichten ist es oft fast wie im Kino:Das Licht geht aus und man glaubt mitten im Gedicht zu stehen. Vor über 20 Jahren veröffentlichte der 1966 bei Lüneburg geborene Dichter seine ersten Gedichte im Residenz Verlag; nach niederschmetternden Erfahrungen mit dem Literaturbetrieb hat er danach lange Zeit geschwiegen. 2017 legte er mit „Selbst in hoher Auflösung“ ein fulminantes Comeback vor.
Ihre Gedichte singen mit tausend Zungen und sind dabei überraschend und einzigartig. Seit 1979 veröffentlicht Kathrin Schmidt (*1954 ) Poesie. Die studierte Kinderpsychologin war als Redakteurin und Sozialwissenschaftlerin tätig. Einen Namen als Lyrikerin machte sich sie gebürtige Goslauerin mit den preisgekrönten Gedichtbänden „Ein Engel fliegt durch die Tapetenfabrik“ (1987), „Flußbild mit Engel“ (1995) und „Go-In der Belladonnen“ (2000). 2018 erschien mit „waschplatz der kühlen dinge“ ein neuer Lyrikband bei Kiepenheuer & Witsch.
Daniela Seel (*1974) ist in allen Disziplinen ist sie eine durchaus notwendige Grenzgängerin. 2003 gründete sie gemeinsam mit dem Buchgestalter und Illustrator Andreas Töpfer den Independent-Verlag „kookbooks - Labor für Poesie als Lebensform“. Neben ihrer Tätigkeit als Verlegerin, Moderatorin, Kritikerin und Lektorin schreibt sie Gedichte für Zeitschriften, Zeitungen, Anthologien, aber auch für Radio und Internet. Für ihren ersten Gedichtband „ich kann diese stelle nicht wiederfinden“ erhielt sie 2011 den Friedrich-Hölderlin-Förderpreis, den Ernst-Meister-Förderpreis und den Kunstpreis Literatur von Lotto Brandenburg.
Ulf Stolterfoht (*1963) zählt zu den bedeutendsten sprachexperimentellen Lyriker*innen Deutschlands. Seine Gedichte sind „sperrige, doch vergnügliche Kost, melodisch leicht dargeboten, von großer rhythmischer Schönheit“ (FAZ). Mit „holzrauch über heslach" gelang ihm ein ebenso „ethnologisches" wie autobiografisches Langgedicht über Stuttgart, das eine ganze Stadt-Welt aus der Montage und Persiflage von Fremdtexten und Fachsprachen erstehen lässt. Stolterfoht lebt heute in Berlin.
Raphael Urweider, einer der prominentesten, vielfach preisgekrönten deutschsprachigen Lyriker seiner Generation, hat sich nach langer Pause mit dem Gedichtband "wildern" zurückgemeldet. Die darin unter anderem versammelten Stadtgedichte des Weitgereisten öffnen den Blick über den europäisch-amerikanischen Tellerrand hinaus - hier geht es auch um Kinshasa, Johannesburg und Durban, um Hongkong und Shanghai. Der 44-Jährige lebt in Bern.