Thorsten Lensing: ''Unendlicher Spaß''
Zum Finale des Brechtfestivals trifft ein hochkarätiges Ensemble auf einen der brillantesten Texte des ausgehenden 20. Jahrhunderts. „Unendlicher Spaß“ von David Foster Wallace lässt über 1500 Seiten das wildwüchsige Porträt einer dystopischen, leistungsorientierten Erschöpfungsgesellschaft sprießen. Regisseur Thorsten Lensing hat das Werk zu einem fesselnden Theaterabend mit Starbesetzung verdichtet.
„Unendlicher Spaß“ ist ein Roman aus Scherben, der keiner geradlinigen Handlung folgt, sondern mehrere, ineinander verschachtelte Erzählzentren aufweist. Die Figuren bilden ein großflächiges Netz, in dem sich das Leben verfängt.
Erschienen ist der Roman 1996 in den USA. Er lässt sich beschreiben als Versuch, die gegenwärtige Welt zu erzählen, ohne sie einheitlich zu deuten. „Ich will darüber schreiben“, hat Wallace sein Vorhaben charakterisiert, „wie es sich anfühlt, heute zu leben, statt davon abzulenken.“ Deshalb schreibt er über Geburten und Todeskämpfe, über Schneestürme, Liebes- und Trennungsgeschichten, übertriebenen Speichelfluss, bildschöne Krankenschwestern und Vögel, die mitten im Flug einen Herzinfarkt erleiden.
Wallace widmet sich seinen Figuren dabei mit großer Ernsthaftigkeit und einer ungeheuren Leichtigkeit zugleich. „Witze“, schreibt Wallace, „sind die Flaschenpost, mit der die Verzweifelten ihre gellendsten Hilfeschreie aussenden“.
Ein Zentrum der Inszenierung von Thorsten Lensing bilden die drei Brüder der Familie Incandenza: Der hochbegabte Hal ist ein Wörterbuchwunder und Schüler an der Enfield Tennis Academy. Sein älterer Bruder Orin spielt im American Football Team der Arizona Cardinals. Mario, der jüngere, ist körperlich schwer behindert und ein leidenschaftlicher Radiohörer und Filmemacher. Dazu gesellen sich weitere Figuren wie die verschleierte Radiomoderatorin Joelle Van Dyne, Mitglied in der „Liga der rüde Verunstalteten und Entstellten“, und der ehemalige Dieb und medikamentensüchtige Don Gately aus dem Drogenentzugszentrum Ennet House. Alle Figuren stehen schutzlos vor ihrem Leben. Einige leiden unter Depressionen, andere unter Alkohol-, Sex- oder Schmerzmittelsucht, viele sind einem unerbittlichen Leistungszwang ausgesetzt.
Ausgangspunkt für Lensings Arbeit ist Wallace’ Kunst, die darin besteht, aus den beschädigten Seelen heraus zu erzählen, ohne über sie zu urteilen, aber auch ohne sie als Opfer darzustellen.
Mit: Jasna Fritzi Bauer, Sebastian Blomberg, André Jung, Ursina Lardi, Heiko Pinkowski und Devid Striesow
Regie: Thorsten Lensing / Mitarbeit Regie: Benjamin Eggers-Domsky / Bühne: Gordian Blumenthal, Ramun Capaul / Kostüme: Anette Guther / Textfassung: Thorsten Lensing / Mitarbeit Textfassung: Dirk Pilz, Thierry Mousset / Dramaturgie: Thierry Mousset / Produktionsleitung: Eva-Karen Tittmann / Leitung Herstellung Bühne: Martina Schulle / Technische Leitung: Dirk Lutz / Regieassistenz: Lucie Grünbeck / Kostümassistenz: Marie Fischer/ Maske: Hannah Kaiser
Eine Produktion von Thorsten Lensing in Koproduktion mit Schauspiel Stuttgart, Schauspielhaus Zürich, Ruhrfestspiele Recklinghausen, Sophiensaele Berlin, Kampnagel Internationale Kulturfabrik Hamburg, Theater im Pumpenhaus Münster, HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste, Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt/Main und Les Théâtres de la Ville de Luxembourg. Gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds Berlin und der Stadt Münster.
Aufführungsrechte beim Rowohlt Theater Verlag, Reinbek bei Hamburg.
Ort: martini-Park
Dauer: 4 Stunden, 1 Pause
Tickets: 35€ >> 12€
Thorsten Lensing arbeitet seit Mitte der 1990er Jahre als Regisseur. Seine Inszenierungen entstehen als freie Produktionen. Zu seinen Kooperationspartner*innen gehören europaweit führende Produktionshäuser von Antwerpen über Luxemburg, Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Dresden, Frankfurt, Stuttgart bis Zürich. Seine Mitstreiter*innen wählt er sorgfältig aus einem Netzwerk namhafter Schauspieler*innen. Für „Karamasow“, das Vorgängerstück von „Unendlicher Spaß“, erhielt Thorsten Lensing den Friedrich-Luft-Preis der Berliner Morgenpost für die beste Berliner oder Potsdamer Theateraufführung im Jahr 2014.